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Es ist früh an einem Herbstmorgen. Draußen ist es noch dunkel, und die frische Herbstluft zwickt ein bisschen an den Wangen, als wir zum Auto gehen, das auf dem Parkplatz des Basecamp Preikestolen abgestellt ist.

Wir haben vorher nachgesehen, wann Sonnenaufgang ist, und zwei Stunden vorher als Startzeit gewählt, um sicher zu sein, rechtzeitig am Traumziel unserer Wanderung anzukommen.

Wir haben uns mit Wanderhose und Jacke warm angezogen. Trotzdem ist jetzt die Stirnlampe, die fest am Kopf sitzt, die wichtigste Ausrüstung. Am Wanderpfad entlang stehen in regelmäßigen Abständen Pfähle mit Reflexen, die uns den Weg zeigen. Mit ihrer Hilfe steuern wir sicher über Holzbrücken, die Sherpatreppen hinauf, durch den Birkenwald und über blanke Felsen. Problemlos folgen wir den Pfählen.

© Outdoorlife Norway

Die blaue Stunde

In Tjødnane angekommen ist es etwa noch ein Kilometer bis zum Ziel, und das Morgengrauen hat eingesetzt. Mit dem immer offeneren Himmel bekommen wir einen hellen und kalten Blauton, und ich verstehe plötzlich, warum diese Dunkelheit am Morgen und Abend oft als “die blaue Stunde” bezeichnet wird.

Wir legen noch einen Zahn zu, wir haben Angst, zu spät oben anzukommen. Als wir da sind, stellen wir erleichtert fest, dass noch genug Zeit bleibt. Die Kälte schleicht sich über das Plateau, Glücklicherweise haben wir Mütze, Fäustlinge, eine extra Jacke und eine Decke im Rucksack. Wir setzen uns in den Windschatten eines Felsens und füllen die Thermobecher mit Kaffee. Wir nippen an dem heißen Getränk, während wir den Himmel beobachten, der sich langsam hellgelb färbt.

© Outdoorlife Norway

Allein auf dem Preikestolen

Plötzlich siehst du die Sonne hinter den Bergen im Osten. Wir stehen auf und gehen hinaus aufs Plateau. Immer mehr zeigt sich die Sonne, während sie sich südlich des majestätischen Lysefjords hinter den Höhen emporbewegt. Wir stehen staunend und schweigend und genießen den Anblick des Himmels, der eine immer wärmere Farbe annimmt.

Wir haben den Felsen für uns allein, und es ist wichtig, diesen einzigartigen Moment zu verewigen. Ich bewege mich auf die Kante des Plateaus zu und setze mich hin. Langsam rutsche ich an die Kante und halte an, als meine Hacken in der Luft hängen. Eigentlich habe ich nicht besonders viel Höhenangst, aber es ist merkwürdig, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben, wenn du dich 604 Meter über dem Fjord befindest. Ich spüre das Kribbeln im Bauch, als ich die Hände über den Kopf hebe. Meine Wanderfreundin steht mit der Kamera bereit, und ich bitte sie, sich zu beeilen. Kurz danach rutsche ich wieder zurück und sehe mir die Bilder an. Ich bin zufrieden und teile die Fotos mit meinen Freunden auf den sozialen Medien. Ein letztes Mal blicken wir zur Sonne, die jetzt über den Gipfeln steht, und gehen auf dem gleichen Weg wieder zurück, den wir gekommen sind.

Lange hatten wir eine Wanderung zum Preikestolen bei Sonnenaufgang auf der Bucket List, und hochzufrieden können wir diesen Traum jetzt abhaken.