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Appetit auf mehr

Die Endstation der berühmten Raumabahn erreicht, stolpern wir auf den Bahnsteig des kleinen Dorfes Åndalsnes und sind mehr als bereit auf das, was uns erwartet. Hilde Gråberg Bakke, Leiterin des Tourismusbüros Rauma, empfängt unsere 30-köpfige Gruppe mit einem breiten Lächeln. Die Vorfreude steigt.

„Ihr werdet überrascht sein, wie viele verschiedene Dinge ihr hier in nur zwei Tagen erleben werdet“, verspricht sie.

Umgeben von Berggipfeln, dem Fluss und dem Fjord bekommen wir sofort Appetit auf mehr. Auf geht's.


El-bike in Åndalsnes|© Marte Enger / visitnorway.com

1. Tag, Start: Wir erkunden auf E-Bikes die Umgebung

Na da schau einer her! Wir radeln über einen Berg nach dem anderen, mit einer Leichtigkeit als wären wir im flachen Amsterdam unterwegs. Wie um alles in der Welt ist das möglich?

„Turbo-Modus“, erklärt unser Bikeführer Ragni Klokkerstuen Odeen. „Wenn es bergauf geht, wechselst du einfach von ‚Eco‘ oder ‚Normal‘ in den Turbo-Modus.“ Aufgeteilt in drei Gruppen, fahren wir mit den starken, soliden Elektrofahrrädern unserem Guide nach, bergauf und bergab, durch Wälder, entlang Straßen und dem Fluss Rauma und über seine Brücken.

Was für eine großartige und gleichzeitig einfache Aktivität, es ist ein perfekter Start. So bekommen wir einen guten Überblick über die Umgebung, die wir bald noch besser kennenlernen werden.

Halt! Zeit für eine obligatorische Fotosession. Schließlich können wir zwischen unglaublich schönen Kulissen, wie wir sie selten gesehen haben, wählen. Wir sind uns alle einig, dass unsere einstündige Bike-Tour ein super Auftakt zu unserem zweitägigen Aufenthalt ist und wow – in den sozialen Medien gehen die Daumen hoch.


El-bike in Åndalsnes|© Marte Enger / visitnorway.com

Die Fortsetzung: Wir wandern zu einem der eben aus der Ferne beobachteten Gipfeln

Sagen wir es so: Von Åndalsnes aus kann man in jede Richtung wandern. Warum also nicht mit dem am nächsten gelegenen Gipfel beginnen?

Die Schwierigkeit unserer Wanderung zum neu errichteten Aussichtspunkt Rampestreken auf 580 Metern über dem Meeresspiegel wird vom örtlichen Tourismusbüro als „mäßig“ eingestuft. Nur … Moment mal ... Unsere Gruppe von Großstädtern startet praktisch auf Meeresspiegel-Niveau …

Bereits nach etwa 75 Metern bergauf scheint das riesige Kreuzfahrtschiff, das am Hafen Norsk Tindesenter angelegt hat, wie ein Spielzeug. Nach 100 Metern hören wir nur noch unseren eigenen Atem. Und wie wir weiter nach oben steigen, wird dessen Klang noch schwerer. „Sind wir bald da?“, fragen einige, die bereits kräftig ins Schwitzen gekommen sind. Die Antwort folgt unmittelbar auf einem hölzernen Wegweiser: Es sind 300 Meter zurück und 200 Meter nach oben zu unserem Ziel. Der letzte Teil des Aufstiegs ist der steilste. Er führt über Steintreppen, die kürzlich von nepalesischen Sherpas gebaut wurden. Die Steine sind riesig. Diese Männer müssen unglaublich stark sein.

Plötzlich hören wir Gelächter. Wir haben den ersehnten Aussichtspunkt Rampestreken erreicht! „Das sieht aus wie eine kleine Brücke, die in den Himmel ragt“, sagt jemand. Hinunter sieht man auf unser Hotel in Åndalsnes und den mächtigen Fluss Rauma, der im ruhigen Fjord endet. Und um uns herum sind riesige Berggipfel.


Ein Teil der Gruppe setzt tapfer noch eine etwa 20-minütige Wanderung zum Gipfel des Berges Nesaksla auf 715 m über dem Meeresspiegel drauf. Die Belohnung: Eine 360-Grad-Aussicht.

Von dort aus kann man auch weiter auf den Romsdalseggen, einer der berühmtesten Wanderwege Norwegens, gehen. Aber für uns geht es erst einmal bergab.


Nervenkitzel pur: die Fahrt entlang der elf Haarnadelkurven der Trollstigen Bergstraße

„Oh Gott, schaut hinunter“, ruft einer von uns aufgeregt. „Nein, schaut nicht hinunter“, korrigiert er sich schnell, als unser großer Bus langsam im Zickzack die schmale Trollstigenstraße hinauffährt.

Wir halten uns etwas fester als gewöhnlich an unseren Armlehnen fest. Eine Felswand wie diese mag ja ein normaler Treffpunkt für Bergziegen und Adler sein. Aber für unseren Koloss auf vier Rädern?

Unser Fahrer Torstein Dahle nutzt routinemäßig jeden Zentimeter der Straße aus und lässt Autos und andere kleinere Fahrzeuge vorbeifahren.

„Wie ich das schaffe? Nun, ich habe eben früh angefangen. Seit 1968 bringe ich Touristen sicher auf den Trollstigen hinauf ... und auch wieder hinunter“, lacht Dahle und lenkt den Bus mühelos durch eine der schärfsten Kurven.

Für eine Sekunde fühlt es sich an, als würde das vordere Ende des Busses außerhalb der Straße hängen. Im nächsten Moment hat Dahle den riesigen Bus um 180 Grad gedreht, die Vorderseite küsst beinahe die Felswand.


Die Base-Jumper

In der letzten Kehre mit dem Namen Bispesvingen, hält der Fahrer den Bus an und unser Guide Ivar Brennhovd lädt uns ein, auszusteigen. Er hat eine Überraschung für uns. Wir sollen auf den Gipfel des Bispen schauen. „Was ist da?“ fragen wir uns. „Nun, schaut doch mal.“

Wir schauen und entdecken ganz oben am Berg die winzigen Silhouetten von ein paar Männern. Es ist ein haarsträubender Anblick. Plötzlich springt einer der Männer von der Klippe, als wäre es das normalste auf der Welt. Mit seinem Anzug mit Flügeln, sieht er aus der Ferne wie ein Vogel aus. Die Überraschung ist gelungen, fliegt er doch im freien Fall direkt über uns hinweg, knapp an unseren Köpfen vorbei. Ehe wir ganz erkennen, was gerade passiert, ist der wagemutige Mann schon mit dem Fallschirm auf dem Parkplatz im Tal, am Anfang der Tollstigenstraße gelandet.

„Die Base-Jumper fliegen hier mit rund 240 Stundenkilometern“, erklärt Brennhovd trocken. Wer also nicht glaubt, dass Menschen fliegen können, braucht nur nach Åndalsnes zu kommen und sich von dem eher ungewöhnlichen Sport Base-Jumping überzeugen.

Wir treffen Mr. Trollstigen

Mit uns im Bus ist auch Edmund Meyer, der den Spitznamen Mr. Trollstigen trägt. Seit Jahrzehnten führt er die örtlichen Besucherzentren, Trollstigen gjestegård am unteren Ende sowie Trollstigen Café und das Besucherzentrum von Reiulf Ramstad Architects am oberen Ende der berühmt-berüchtigten Bergstraße.

Mr. Trollstigen erzählt uns, dass er und sein Team über eine Million Besucher pro Jahr durchschleusen. Die beliebte Touristenattraktion ist auch Meyers Geburtsort.


© visitnorway.com

„Ich bin stolz darauf, nur 50 Meter vom Trollstigen entfernt geboren worden zu sein“, sagt er, während er zum Mikrofon greift und spontan die Geschichte von Trollstigen sowie von seinem eigenen Leben erzählt: Meyers Familie ließ sich hier bereits 1875 nieder. 1936 gehörte sein Großvater zu den Männern, die die damals mit König Haakon VII. von Norwegen die neue Passstraße eröffneten.

„Wisst ihr was? Ich liebe mein Leben. Immerhin gibt es zweifellos keinen anderen Menschen auf der Welt, der Trollstigen so oft bereist hat, wie ich. Und glaubt mir, ich werde nie müde. Aufgrund des ständig wechselnden Wetters und des Lichts ist hier kein Tag wie der andere, es ist immer wieder ein neues Erlebnis. Und vor allem die glücklichen Gesichter der Besucher motivieren mich, immer wieder hier her zu kommen.“

Auch uns macht der Ausflug in die Höhe glücklich. Und sehr hungrig. Trollstigen hat uns Appetit auf das Abendessen im Hotel Aak bereitet.

„Wenn unsere Gäste glücklich sind, dann sind auch wir glücklich.“
Odd Erik Rønning, Hotel Aak

Tag 2, Neuanfang: Stand Up Paddling (SUP) auf dem Rauma

Im Ernst, vergessen Sie alles, was Sie bisher über die richtige Balance im Leben gehört haben. Es macht viel mehr Spaß, einen Neoprenanzug anzulegen und mit den Füßen auf einem Surfbrett zu stehen – und sein Bestes zu geben, um darauf stehen zu bleiben.

Gleich zu Beginn lernen wir über uns selbst: Wenn wir ins Wasser fallen, klettern wir einfach zurück aufs Brett und stehen wieder auf. Das Paddel gut festhalten, sonst wird es von der Strömung mitgenommen. Und ja, wir fallen. Zumindest einige von uns.

Aber unsere Guides scheinen die geduldigsten Menschen aller Zeiten zu sein. Nur kein Stress. Wir lernen schnell, uns selbst zu vertrauen. Mit der Zeit wird es weniger wackelig. Vom Wasser aus genießen wir die wunderschöne Natur, die uns umgibt, in vollen Zügen. Bald paddeln wir so fachmännisch wie die Einheimischen. Unser Stolz wächst. Im Ernst! Wir haben es geschafft!

© Friluftslek

Als nächstes: Kurze Wanderung, sagenhafter Ausblick auf dem Litlefjellet

Wenn nur jeder Tag so unkompliziert sein könnte. Wir steigen in der kleinen Stadt Åndalsnes in den Bus und machen eine kleine Spritztour durch die wunderschöne Landschaft. Wir hätten für immer in unseren bequemen Sitzen bleiben und vom Fenster aus die Umgebung bestaunen können. Aber wir haben bereits unser Ziel erreicht und werden sanft dazu aufgefordert, heraus zu kommen.

Wanderschuhe an den Füßen. Wasser und Schokolade im leichten Rucksack. Und Sonnenbrille, oh ja. Heute sind die Wetterbedingungen ungewöhnlich gut. Die Erfahrung, die uns erwartet, wird atemberaubend sein, dennoch ist sie eine der einfachsten Wanderungen in der Gegend. Nach nur 21 Minuten Fußmarsch und heiterem Geplauder erreichen wir den Gipfel des Litlefjellet.

„Der Ausblick von hier ist beinahe so eindrucksvoll wie ihn professionelle Bergsteiger von den höchsten Gipfeln der Gegend bekommen“, sagt unser Guide. Das steigert unser Selbstvertrauen noch weiter. Wir sehen sowohl Romsdalshorn und Vengetindene als auch Trollveggen – die vertikale Bergwand, die als nächstes auf unserer Liste steht.


Am späten Nachmittag: Troll-Ausflug nach Trollveggen

Okay, also wo sind die Trolle?

Tatsächlich sind die Trolle in und um Åndalsnes sehr präsent, allen voran in der Felswand Trollveggen, die sogar nach ihnen benannt ist. Unser Guide erzählt uns, dass Trollveggen die höchste vertikale Felswand in ganz Europa ist – beeindruckende 1000 Meter hoch. Naja. Wenn dem so ist. Für uns sieht es nur vertikal aus ... endlos.

Trollveggen ist ein Teil von Trolltindene, einer Berggruppe, deren Gipfel bis zu 1700 Meter in den Himmel ragen. Die gigantische Felswand ist übrigens genauso gefährlich wie sie aussieht. 1986 wurde Basejumping deshalb verboten. Im Trollveggen Visitor Center sehen wir einen Film über die Geschichte der extremen Kletterwand. Es ist alles sehr ... hoch.

Und danach? Nun, wir fühlen uns einfach ... größer. Zwei Tage an der frischen Luft werden uns gut schlafen lassen.

Majestic Trollwall|© visitnorway.com

Tekst: Karl Eirik Haug

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